Zecken
ZECKEN....!
Jedes Jahr wieder. Und jedes Jahr wird massenhaft Geld gelassen für Produkte, die nicht wirken.
Und wie fast jedes Jahr lasse ich es mir nicht nehmen, Zeckenmythen hinfort zu wischen.
Geht los:
Mythos 1: Kokosöl hält Zecken fern. Eine Theorie besagt, die in Kokosöl enthaltene Laurinsäure schreckt Zecken ab. Kann das sein? Um durch etwas abgeschreckt zu werden, muss man dieses etwas auch wahrnehmen. Das ist die Grundvoraussetzung. Niemand gruselt sich vor einer Spinne, die er nicht sieht, und von deren Anwesenheit er nichts weiß. Nun sollten wir uns aber die Frage stellen, was so ein simpel gestricktes Tier wie eine Zecke überhaupt wahrnehmen KANN. Zecken besitzen das Haller-Organ. Und tatsächlich kann eine Zecke damit Ammoniak und auch Buttersäure wahrnehmen. Buttersäure und Laurinsäure sind chemisch ziemlich ähnlich. Und natürlich kann man jetzt denken „HA! Wirkt! ...weil niemand will ja böse Säure“ .... äh... doch. Zecken wollen das. Denn Buttersäure ist Bestandteil von Schweiß, und die Information „hier gibt es Schweiß“ ist für die Zecke das gleiche wie für uns „Hier gibt’s gratis Steak!“. Und Laurinsäure ist dem „Steak“ halt recht ähnlich. Würden Zecken also tatsächlich auf Laurinsäure reagieren, dann tatsächlich nicht mit weg rennen, sondern mit Lätzchen umbinden. Aber es hat doch Versuche in Labors gegeben, wo Zecken vor der Laurinsäure weggelaufen sind....? Ja, die gab es. Problem: Laurinsäure ist bis 44 Grad Celsius ein Feststoff. Für die Versuche musste sie also bis zur Schmelztemperatur aufgeheizt werden. Und wenn Zecken eines sind: Umweltmimosen. Die Zecken haben sich in den Versuchen vor der erhöhten Temperatur zurückgezogen. Nicht vor der Laurinsäure. Das wurde übrigens bestätigt, in dem man den gleichen Versuch ohne Laurinsäure durchgeführt hat. Mit dem gleichen Ergebnis. Das ist leider der Teil, den die einschlägigen Kokosbewerber gerne unter den Tisch fallen lassen. Ein Aufheizen des Hundes auf 44 Grad ist übrigens ungesund. Verfüttert hat Kokosöl übrigens auch keinen Effekt, im Gegenteil, durch die gesättigten Fettsäuren ist es auch noch echt ungesund. Noch dazu ist der Anbau ökologisch echt bedenklich. Aber wie so oft, das grüne Gewissen reicht bis zum eigenen Hund, aber leider keinen Meter weiter.
Mythos 2: Bernstein verscheucht Zecken!
Zu Bernstein gibt es zwei Ansätze der vermeintlichen Wirksamkeit.
a) Elektrostatische Aufladung. Das Fell reibt am Bernstein, und läd sich dadurch auf. Joaaaa..... gleiches Prinzip wie beim Luftballon, der mit dem Wollpulli gerieben wird. Hält man den aufgeladenen Ballon dann an kleine, leichte Dinge wie Haare, Konfetti oder Zecken passiert der Physik folgend was? Richtig: die kleinen Dinge werden ANGEZOGEN. Nicht abgestoßen! Der Mythengläubige kommt in diesem Moment mit den Entladungen! Kennt man doch... das fiese Bizzeln, wenn man den Nylonpulli auszieht. Ja, das sind Entladungen elektrostatischer Aufladung. Die kleinen Blitze haben durchaus mal 1000 Volt, aber eben wenige Milliampere, weswegen sie uns eben nicht killen. Wer in Physik aufgepasst hat, findet auch hier den Haken: die Entladung über uns (bzw über den Hund) kann nur deshalb stattfinden, weil wir geerdet sind. Und deshalb betrifft es auch nur uns. Eine Kopflaus auf unserem Kopf bekommt auch keinen Schlag, wenn dir den Wollpulli ausziehen, weil zwischen ihren Beinen, die auf unserem Kopf stehen, kein Spannungsgefälle ist. Heißt: eine Zecke am Hund müsste schon mit einem Bein auf dem Boden stehen, um von einer Elektrostatischen Entladung beeinflusst zu sein.
b) Geruch des Bernsteins. Ein Bernstein, der riecht, ist kein Bernstein, sondern ein Harztropfen, der noch mal für so ne halbe Millionen Jahre zurück ins Meer darf. Außerdem: wir erinnern uns: Zecken können folgende Dinge „riechen“: CO2 (da atmet jemand, wer atmet lebt), Ammoniak (da pisst einer, wer pisst lebt), und Buttersäure (s.o.). Ende der Liste von Sachen die Zecken riechen können. Was war nicht dabei.....? Ups. Bernstein. Auch nicht seine Bestandteile.
Mythos 3: EM-Keramik gegen Zecken!
Mein Lieblingsmythos! Weil dahinter eine enorme Erfolgsgeschichte steckt, wie jemand aus Sch....e Geld macht.
Ein Kilo Aquariumfiltertonröllchen kostet sagenhafte 3,49€. Und so ein Halsband? 15€? 20€? Ja, das restliche Material und die Arbeit stellt einen gewissen Wert dar. Aber ernsthaft, dafür Kohle ausgeben, aber beim Tierarzt rumhupen, wie teuer ein anständiges Präparat ist.....? Da sollen tatsächlich Mikroorganismen drin sein.....? Im Ton.....? Der bei 700 Grad gebrannt wurde...? Ist klar! Und die bleiben da sogar drin, wenn man den Ton wässert! Respekt, dass Mikroorganismen sich brav an die Anleitung halten, und den Brand überleben und sich dazu auch noch fest halten können. Ok, nehmen wir theoretisch mal an, da wären Mikroorganismen drin. So Supermikroorganismen, die sich tatsächlich festhalten können, und während des Brennens einen Anzug aus Keflar oder so anhatten.... Dann sprechen wir aber immer noch über: Einzeller. Das sind aufgedröselt Algen, Bakterien und Pilze. Ja, die essen auch zum Teil, die machen Stoffwechsel, die Pupsen bisweilen, ergo: sie verändern ihre Umgebung. Aber was sollen sie bitte gegen Zecken tun....? Sie töten bisweilen tatsächlich Zecken. Es gibt wirklich Pilze, die Zecken töten. Nach Wochen.
Nein, sie haben nichts an sich, was Zecken abwehrt. Und darauf zu hoffen, dass sich die Zecke am totgebrannten (death-done, um beim Steak zu bleiben) Ton mit einem Pilz infiziert, und darauf zu warten, dass die Zecke in den nächsten Wochen auf dem Hund zu Tode schimmelt, ist kurz gesagt absurd. Fazit: EM-Keramik hilft zuverlässig gegen Zecken, allein das zielen beim werfen ist so ein Problem.
Warum trifft man aber immer wieder auf „bei uns wirkts aber“ - Berichte? Tja... weil Zecken eben lebendig sind, und ihre Wirte halt auch. Manch einer schmeckt Zecken besser, als andere. Gehe ich mit dem Gatten gassi, hab ich die Zecken, die Mückenstiche und alles andere, und er nicht. Aber auch Zecken haben so ihre Päckchen zu tragen: ihr Dasein besteht daraus, Tag ein, Tag aus einen Grashalm rauf und runter zu rennen. Rauf um auf einen möglichen Wirt zu warten. Runter, weil Mimimi zu warm, Mimimi zu kalt, Mimimi zu nass, Mimimi zu trocken... haben sie endlich mal was zu futtern erwischt, fallen sie wieder runter, und sind eine ganze Weile damit beschäftigt, ihre nächste Entwicklungsstufe hin zu kriegen. Es gibt also tatsächlich mehr Möglichkeiten sich KEINE Zecke einzufangen, als das man eine ab bekommt, gemessen an der Anzahl Zecken, die auf uns und unsere Viecher lauern. Dazu sind die Nymphen-Stadien so winzig klein, dass ein Befall mit denen überhaupt nicht bemerkt wird. Krankheiten verbreiten die kleinen Drecksäcke trotzdem. Jede Zecke ist eine Zuviel.
Lasst euch bitte von euren Tierärzten beraten. Diese wissen, welches Präparat wirkt, zu den Umständen passt und was bei wirklich seltenen Nebenwirkungen zu tun ist.
Schmeißt euer Geld nicht raus, nur weil obskure Werbung etwas verspricht, was biologisch oder physikalisch unmöglich ist. Schützt eure Hunde wirksam. Jede, von Zecken übertragene Krankheit ist schlimmer als Prophylaxe, und erfordert zum Teil sehr lange medikamentöse Behandlung. ( Text von Alexandra Feders )